Dieser Beitrag von Kerstin Blum, Geschäftsführerin der Stiftung, ist Teil unserer Rubrik „Mit Kopf und Herz – wie wir über den Schutz unserer Lebensgrundlagen sprechen können“.
Krisenstimmung, Unsicherheit, Konflikt – vielleicht muss das jetzt so sein? Diese These wagt Kerstin Blum und erklärt, warum die Krise der Start von etwas Gutem sein könnte.
Wussten Sie, dass Jahrhunderthochwasser in der Geografie ein definierter wissenschaftlicher Begriff ist? Es ist die Pegelhöhe, die im statistischen Mittel einmal alle 100 Jahre erreicht wird. Bayern hat Ende Mai 2024 ein Jahrhunderthochwasser erlebt. Das im Saarland war damals gerade mal 2 Wochen her. Immer mehr Menschen in Deutschland erleben die Klimakrise ganz direkt und mit schrecklichen Folgen.
Das Leben, wie wir es kennen, steht in Frage
Blickt man über Deutschland hinaus, werden anderswo Hitzerekorder im Sommer 2024 „geschreddert“, wie eine Zeitung es genannt hat. In Indien und Pakistan herrschte Anfang Juni bereits seit Wochen eine nie dagewesene Hitzewelle mit Temperaturen über 50 Grad. Auch nachts kühlte es kaum unter 30 Grad ab. Aber auch in Finnland wurde ein neuer Rekord für die Anzahl von Hitzetagen aufgestellt – die Temperaturen erreichten im hohen Norden bereits im Mai bis zu 30 Grad. Kein Wunder, denn die Klimaforschung warnt uns, dass Europa der Kontinent ist, der sich am schnellsten erwärmt.
Die Erkenntnis, dass wir in einem Zeitalter multipler Krisen leben und auch in Zukunft leben werden, verbreitet sich in unserer Gesellschaft. Die Klima- und Umweltkrise, Kriege und Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheit: Auch die „Wegseher“ ahnen, dass das Leben, wie wir es kennen, in Frage steht. Doch diese für manchen Menschen immer noch schleichende Erkenntnis führt in einem ersten Schritt leider nicht zu einer großen gemeinsamen Anstrengung, zu mehr Zusammenhalt und „Wir schaffen das“. Zunächst einmal schürt diese Erkenntnis Unsicherheit, Konflikt und Polarisierung.
Wir haben, was es braucht
Ich wage mal eine steile These: Vielleicht ist das eine ganz normale Phase in der Auseinandersetzung mit einer Bedrohung dieser Größe. Man kennt das aus jedem Change-Prozess, zum Beispiel in Unternehmen. Wenn große Veränderungen anstehen, gibt es erst einmal Unruhe, Ausflüchte und Diskussionen. Durch diesen Prozess muss man gemeinsam durch, um danach ins Handeln und zu Lösungen zu kommen. Das Gute ist: Wir haben, was es dafür braucht.
- Wir wissen, was los ist. Die planetaren Grenzen sind wissenschaftlich beschrieben. Wir kennen die Ursachen der Krisen.
- Wir wissen, was wir tun müssen! Denn schaut man mal auf große Ganze machen wir einfach überall die gleichen Fehler:
- 1. Wir verbrauchen mehr, als wir sollten, für Ineffizienzen oder Unnötiges.
- 2. Wir vermüllen auf unzählige Weise unseren Lebensraum, sei es mit Treibhausgasen, Feinstaub, Atommüll oder Antibiotikarückständen.
- Die Antwort ist daher überall: Die echten Bedarfe identifizieren, sie unter effizientem Einsatz von Ressourcen decken, und dann, bei dem was wir tun, die Auswirkungen auf die Gesundheit der Erde und der Menschen berücksichtigen. Unter diesen Prämissen entstehen bereits überall neue Ideen und Denkweisen, die Lösungen bieten.
Diese Lösungen sind nicht nur in der Lage, unsere bedrohten Ökosysteme wieder zu stabilisieren. Wir haben die Chance, dass das Neue, das wir schaffen müssen, besser wird als das Heute. Das erreichen wir aber nicht mit ein bisschen Klima- und Umweltschutz am Rand. Sondern indem wir unsere menschengemachten Systeme von Grund auf neu denken. Dann ist z.B. bei der Verkehrswende die Frage nicht, ob die 48 Millionen in Deutschland zugelassenen privaten PKW mit Benzin oder eFuels oder Batterie fahren. Wenn jemand die Aufgabe bekommen hätte, für Berlin 2024 ein ideales Verkehrssystem zu entwerfen, das die echten Bedarfe der Menschen erfüllt und dabei planetare Grenzen achtet – niemals wäre unser heutiges Verkehrswesen rausgekommen! Wir nehmen heute so viel in Kauf, ohne es zu hinterfragen: all die Gesundheitsschäden durch Feinstaub, Unfälle, Lärm und Stress, die riesigen Folgen für den Planeten und die Folgen für unser Zusammenleben in Städten und Gemeinden, die mehr vom Auto her gedacht wurden als von den Menschen, die in ihnen leben!
Wie sehen die neuen Lösungen aus?
Was wir eigentlich besprechen müssen, ist also wie wir ein ganz neues System von Mobilität schaffen. Das Gleiche gilt in ganz vielen anderen Bereichen, bei der Energie, im Bau, in der Produktion, bei unserer Ernährung… Dinge neu zu denken ist schwierig. Aber das Konzept der Planetaren Gesundheit liefert dafür eine gute Orientierung. Eine neue Form von Mobilität beispielsweise muss positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Erde haben, und die menschliche Gesundheit fördern und schützen. Und natürlich Menschen ermöglichen, flexibel, sicher, bequem und bezahlbar an ihr Ziel zu kommen. Wie sehen die neuen Lösungen aus, die das ermöglichen?
Wir können es schöner haben, und gesünder! Dafür müssen wir die Phase der Unsicherheit aushalten, beharrlich weiter an Lösungen arbeiten und mit anderen sprechen darüber, was wir wirklich brauchen und welche Zukunft wir uns wünschen. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!
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Im nächsten Beitrag aus der Rubrik „Mit Kopf und Herz“ gibt es wieder einen spannenden Beitrag rund um die Frage, wie die Kommunikation über den Schutz unserer Lebensgrundlagen gelingen kann. Wenn ihr das nicht verpassen wollt, tragt euch jetzt für unseren Newsletter ein.