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Gesunde Ernährung ist die Grundlage für unser Wohlergehen. Das gilt für alle Menschen – egal ob sie in Deutschland, den USA, Bangladesch oder Uganda leben. Das aktuelle Agrar- und Ernährungssystem ist aber ungesund und ungerecht. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass es nachhaltig transformiert wird.
Der Status quo: ungesund und ungerecht
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Schon heute wird genug Nahrung produziert, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Trotzdem ist die Zahl der hungernden Menschen zwischen 2017 und 2022 insbesondere in ärmeren Ländern von 572 auf 735 Millionen Menschen gestiegen [1]. Doch auch wo Nahrung im Überfluss vorhanden ist, bedeutet das nicht automatisch Gesundheit: Weltweit leiden immer mehr Menschen an ernährungsbedingten Krankheiten. In Deutschland haben mittlerweile 8,7 Millionen Menschen Typ-2-Diabetes [2] und 17 Millionen Menschen sind adipös [3].
Wie wir uns ernähren und wie unsere Lebensmittel produziert werden, ist aber nicht nur ungesund für uns, sondern auch für den Planeten. Das globale Agrar- und Ernährungssystem verursacht bis zu einem Drittel der globalen Treibhausgasemissionen und treibt den Biodiversitätsverlust stark voran [4]. Landwirt:innen spüren die Folgen schon jetzt – Hitzewellen, Dürren und Starkregen bedrohen ihre Lebensgrundlagen in Deutschland, aber vor allem in einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens.
Nichts tun ist teuer
Eine Transformation wird herausfordernd, birgt aber enormes Potential für wirtschaftliche und politische Stabilität und bessere planetare Gesundheit. Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist: nichts. In Deutschland verursacht das Agrar- und Ernährungssystem versteckte Kosten in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar – jährlich! Weltweit sind es rund 10 Billionen US-Dollar, das sind knapp zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung [5].
Verantwortung und Rolle Deutschlands
Reiche Länder wie Deutschland haben eine besondere Verantwortung, ein gerechteres Agrar- und Ernährungssystem zu fördern. Sie sind Hauptverursacher der globalen Erwärmung und des Verlusts an Biodiversität und dominieren die globalen Produktions- und Konsumstrukturen. Deutschland spielt eine wichtige Rolle bei der Transformation und engagiert sich schon lange in Initiativen zur Stärkung der Ernährungssicherheit. Deswegen sollte die Bundesregierung ihre Position in bestehenden internationalen Kooperationen und multilateralen Initiativen nutzen, um ein gerechtes Agrar und Ernährungssystem auf der globalen Agenda zu verankern. Deutschland hat bereits 2021 während des G7-Gipfels in Cornwall zugesagt, ab 2025 jährlich sechs Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Nach eigenen Angaben hat Deutschland dieses Ziel 2022 mit 6,39 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln (und Schenkungsäquivalenten von Darlehen) erfüllt [6]. 2023 wird dieses Ziel vermutlich direkt wieder verfehlt. Kürzungen im Haushalt, wie sie aktuell diskutiert werden, gefährden Deutschlands Glaubwürdigkeit und die Einhaltung unserer internationalen Verpflichtungen. Auch national gibt es dringend Handlungsbedarf, um eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft zu gewährleisten. Die letzte Bundesregierung hat 2019 das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung und 2020 die Zukunftskommission Landwirtschaft einberufen. Die Abschlussberichte und Handlungsempfehlungen, auf die sich Vertreter:innen der wichtigsten Akteur:innen geeinigt haben, werden jedoch bis heute nicht umfassend umgesetzt. Ähnlich wie bei den internationalen Verpflichtungen Deutschlands scheitert es auch in Deutschland vor allem an der politischen Bereitschaft, die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Die Bundesregierung muss erkennen, dass diese Ausgaben eine Zukunftsinvestition sind – eine Investition in Gesundheit und Wohlergehen.
Zusammengefasst:
National
- Existierende Kommissions-Empfehlungen konsequent umsetzen
- Mittel für die Transformation bereitstellen – als Investition in die Zukunft
- Die Gesellschaft fordert politisches Handeln
Global
- Einsatz für Ernährungssicherheit, Klimaschutz und -anpassung fortsetzen und ausbauen
- Internationalen Verpflichtungen und Zusagen nachkommen
- Der historischen Verantwortung gerecht werden und Geschädigte unterstützen
Was haben wir zu gewinnen?
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In einkommensschwachen Ländern, wo über 50 Prozent der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig sind [7], kann eine klimaresiliente Landwirtschaft die Lebensgrundlage und Perspektiven von Millionen Familien stabilisieren. Jeder investierte US-Dollar kann zwischen zwei bis zehn US-Dollar Rendite erbringen [8]. Diese Investitionen sind keine Einbahnstraße, Deutschland profitiert ebenfalls. Durch den Aufbau stabilerer Partnerländer werden gleichzeitig auch die eigenen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen gestärkt. In der aktuellen geopolitischen Lage und für eine Exportnation muss es ein Kernanliegen sein, gute Beziehungen zu Entwicklungsländern in aufstrebenden Regionen der Welt aufrechtzuerhalten.
In Deutschland könnte eine nachhaltige Landwirtschaft die Artenvielfalt und die Qualität von Wasser und Böden verbessern, was für die landwirtschaftliche Produktion entscheidend ist. Trotz hoher Transformationskosten überwiegen die Vorteile, da das aktuelle Agrarsystem enorme versteckte Kosten verursacht. In Deutschland verursacht das Agrar- und Ernährungssystem versteckte Kosten in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar – ca. 90 Prozent dieser Folgekosten beruhen auf einer ungesunden Ernährung mit zu vielen stark verarbeiteten Lebensmitteln, tierischen Produkten Fett und Zucker und den damit einhergehenden Erkrankungen und Produktivitätsverlusten [9]. Eine gesündere Ernährungsweise mit weniger verarbeiteten Lebensmitteln könnte Milliarden sparen und gleichzeitig die Umwelt schützen. Eine an das Gemeinwohl orientierte Agrarpolitik könnte zudem die Wertschätzung für Landwirt:innen erhöhen, indem sie Umweltkosten einpreist und deren Beitrag zum Umweltschutz angemessen entlohnt.
Was tun wir?
Eine nachhaltigere Landwirtschaft und gesündere Grundlage für Ernährung in Deutschland sind Zukunftsinvestitionen. Dafür setzen wir uns als Lobby der Zukunft ein – in Gesprächen mit der Bundesregierung, Politik und im Austausch mit Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Wir bringen unterschiedliche Disziplinen und Ressorts zusammen: Landwirtschaft und Ernährungssektor, Gesundheits- und Ernährungswissenschaft, Klima-, Natur- und Tierschutz, Entwicklungszusammenarbeit und Klimadiplomatie.
Unsere Forderungen an die Bundesregierung:
Eine gerechte und gesunde Transformation des Agrar- und Ernährungssystems erfordert globale Anstrengungen aller Beteiligten – von der Konsumentin, über den Landwirt, bis zum Lebensmitteleinzelhandel und großen Agrarkonzernen. Was steht dafür an? Wir haben ein Positionspapier mit Maßnahmen zusammengestellt. Dort findet ihr Vorschläge, was die Bundesregierung tun kann, damit wir genug, gesunde und global gerechte Ernährung für alle auf einem gesunden Planeten erreichen.
Fundament:
Biosphäre & Klima
- Landwirtschaft ökologisch & ökonomisch transformieren
- Landwirtschaft anpassen
- Nachhaltige Landnutzung fördern
- Tierhaltung reformieren
- Fischerei & Aquakulturen ökologisch regionalisieren
Zusammenhalt:
Gesellschaft & Menschen
- Ernährungsstrategie konsequent umsetzen und ausbauen
- (Klima-)gesunde Gemeinschafts- & Außer-Haus-Verpflegung etablieren
- Mehr Bildung für (klima-)gesunde Ernährung ermöglichen
- Ungesunde Werbung regulieren
- Forschung & Innovation fördern
- Multilateralismus für Ernährungssicherheit & -souveränität stärken
- Konfliktprävention ins Zentrum stellen
Teilhabe:
Ökonomie & Konsum
- Regionale Betriebe fördern
- Faire Löhne & Preise für Landwirt:innen schaffen
- Besteuerung klug umstrukturieren
- GAP & Agrarsubventionen am Gemeinwohl orientieren
Unsere Aktivitäten:
Austausch ermöglichen, Silos durchbrechen, Netzwerke stärken
Event: Breaking silos for resilient communities
Zugang zu Nahrung und sauberem Wasser ist grundlegend für unsere Gesundheit und ein Menschenrecht. Die Folgen des Klimawandels, Umweltverschmutzung sowie Krisen und Konflikte verhindern diese Zugänge jedoch. Adaptionsmaßnahmen, um die Auswirkungen zu reduzieren sind deswegen sehr wichtig. Während der Klimazwischenverhandlungen der SB60 in Bonn haben wir deswegen gemeinsam mit der Welthungerhilfe, WaterAid und dem WASH-Netzwerk zu einem Event eingeladen, bei der die Finanzierung von Adaption und konkrete Forderungen an die internationale Gemeinschaft diskutiert wurden. Vertreter:innen der Organisationen aus verschiedenen Ländern betonten wie wichtig es ist, die bestehenden Silos aufzubrechen und die versprochenen Gelder für Adaptionsmaßnahmen endlich sicherzustellen.
Informeller Austausch: Wie gestalten wir das Agrar- und Ernährungssystem der Zukunft?
Mit unserer informellen Veranstaltung am 25. Juni haben wir einen Raum geschaffen, in dem sich Expert:innen unterschiedlichster Disziplinen vertraulich darüber austauschen konnten. Ziel war, Lösungen und Maßnahmen zu sammeln, die das Potential haben, das bestehende System nachhaltig, gesünder und gerechter zu gestalten. Dafür kamen Vertreter:innen verschiedener NGOs, Unternehmen und Mitarbeitende von Ministerien zusammen, um gemeinsam an der Transformation zu arbeiten.
Weiterführende Infos:
Quellenangaben
[1] FAO (2022): Putting a number on hunger. Different measures for different purposes.
[2] Deutsche Diabetes Gesellschaft und Deutsche Diabetes-Hilfe (2023): Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2023.
[3] Deutsche Adipositas Gesellschaft (2024): Was wir tun.
[4] FAO (2022) Greenhouse gas emissions from agrifood systems. Global, regional and country trends, 2000-2020.
[5] FAO (2023): The State of Food and Agriculture 2023 – Revealing the true cost of food to transform agrifood systems.
[6] BMZ (2023): Deutschland übertrifft Klimafinanzierungsziel für Schwellen- und Entwicklungsländer.
[7] ILO (2022): The least developed countries. Crisis, structural transformation and the future of work. ILC110/Report I(B).
[8] WRI (2019): Global Commission on Adaption. Adapt Now Report.
[9] FAO (2023): The State of Food and Agriculture 2023 – Revealing the true cost of food to transform agrifood systems.
Weiterführende Quellen
BMZ (2023): Deutschland übertrifft Klimafinanzierungsziel für Schwellen- und Entwicklungsländer.
FAO (NA): Reduce Rural Poverty. Women in agriculture.
Food Systems Economics Commission (2024): The Economics of the Food System Transformation. Global Policy Report.
ILO (2022): The least developed countries. Crisis, structural transformation and the future of work. ILC110/Report I(B).
OECD (2024): Climate Finance and the USD 100 Billion Goal.
Ökolandbau.de (2021): Der Öko-Landbau leistet viel für die Biodiversität – doch es geht noch besser!
UBA (2023): Themen. Wasser. Grundwasser. Nutzung und Belastungen.
UNEP (2023): Underfinanced. Underprepared. Adaption Finance Gap Update 2023.
Permanent Representation of the Federal Republic of Germany to the UN Organizations in Rome (2024): World Food Programme.
WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2023): Gesund leben auf einer gesunden Erde.
WRI (2019): Global Commission on Adaption. Adapt Now Report.
WRI (2022): The World Is Growing More Crops – but Not for Food.