Die Energiewende weiter zu verschlafen, könnte Deutschland wirtschaftlich abhängen und unseren Industriestandort gefährden. Gleichzeitig würde die Umstellung auf erneuerbare Energieträger ein Gewinn hochwertiger Arbeitsplätze bedeuten und ein großer Innovationstreiber werden.
- Durch die Energiewende sinken die Energiekosten und Deutschland wird unabhängig von Rohöllieferungen und Pipelinegas, insbesondere aus Russland.
- Bis 2050 könnten durch die Energiewende 42 Mio. Arbeitsplätze entstehen.
- 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus der Kohleverbrennung. Der Kohleausstieg ist unser größter Hebel gegen die Klimakatastrophe.
Erneuerbare Energien sind gratis und sie schaffen Unabhängigkeit
Fossile Brennstoffe, das sind Erdgas, Kohle oder Mineralöl. Noch bauen unsere Industrie, die Wärmeversorgung und viele andere Bereiche auf sie. Dabei kommen 55 Prozent des Pipelinegases in Deutschland sowie der größte Teil von Rohölimporten aus Russland. Doch: Unser wichtigster Lieferant für fossile Energie führt derzeit Krieg gegen die Ukraine, und die Preise für Öl und Gas sind nicht mehr zu bremsen.
Wind, Sonne, Erdwärme und Wasserkraft sind unendliche Energieträger, die uns die Erde schenkt. Sie schonen Umwelt und Klima, sind sicher und bezahlbar. Sie sind nicht nur gut fürs Klima, sondern machen uns auch unabhängig von Rohstoffimporten. Und: mittel- und langfristig sinkt dadurch auch der Energiepreis. In ihrer Nutzung liegt die Zukunft. Etwa 46 Prozent unseres Stroms kam 2020 schon aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse.
Wenn wir es richtig machen, haben wir alle etwas davon!
Not in my backyard. Dieser Spruch beschreibt die Haltung von Menschen, die zwar die Vorteile technischen Fortschritts sehen und nutzen, im eigenen Umfeld aber keine Nachteile in Kauf nehmen wollen. Windparks sind auf den ersten Blick ein gutes Beispiel dafür.
Gegen die Errichtung mehrerer hundert Windkraftanlagen wird derzeit geklagt. Die Argumente reichen von Lärmbelästigung, der „Verspargelung“ des Landschaftsbildes bis hin zu ökologischen Sorgen.
Politiker:innen haben darauf reagiert, mit Regelungen, die den Ausbau der Windkraft stark ausbremst: In Bayern ist es die 10-H Regel. Die besagt, dass vom Windrad zur nächsten Siedlung ein Abstand eingehalten werden soll, der dem Zehnfachen seiner Höhe entspricht. Der Bau von Windkraftanlagen ist in Bayern nach Einführung dieser Regel fast zum Stillstand gekommen.
Was ist Photovoltaik?
„Elektrizität aus Licht“ – das ist genau das, was eine Photovoltaikanlage tut. Sie wandelt Sonnenlicht mit Hilfe von Solarzellen in elektrischen Strom um. Photovoltaik wurde in den vergangenen Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Um mehr als 90 Prozent haben sich die Kosten verringert – Tendenz weiter steigend. Insbesondere durch Lerneffekte und die Masse des erzeugten Stroms dürften sich die Kosten immer weiter und schneller senken. Wenn wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen!
Auch in NRW gilt eine pauschale 1000-Meter-Regel. Das Gesetz aus dem Jahr 2021 sollte die Akzeptanz in der Bevölkerung fördern, entbehrt aber jeder wissenschaftlichen Grundlage. Ergebnis: Das so wichtige Ausbautempo der Windenergie lahmt.
Ein wichtiges Thema beim Windkraftausbau ist der Artenschutz. Bislang ist nicht sicher, in welchem Umfang gefährdete Arten (z.B. Greifvögel) tatsächlich an Windanlagen zu Tode kommen. Das müsste endlich systematisch erforscht werden. Expert:innen sind sich aber sicher, dass beides möglich ist: Artenschutz und Ausbau der Windenergie.
So steuern Algorithmen schon heute Windkraftanlagen so, dass sie während der Flugphasen seltener Fledermäuse stillstehen. Manche Windkraftanlagen erkennen bedrohte Vögel wie Rotmilane selbständig und schalten sich direkt ab. Solche Konzepte steigern die Akzeptanz von Windkraftanlagen, das zeigen Umfragen.
Und es gibt noch einen entscheidenden Faktor, der der Energiewende zum Beispiel auf der Insel Samsø (Dänemark) zum Durchbruch verhalf. Die kleine grüne Insel ist zum Inbegriff der gelungenen Energiewende geworden. Das Geheimnis: Die Bürger:innen hatten etwas davon! Von Anfang an. Nicht nur die Landwirt:innen, die ihre Flächen zur Verfügung stellen und investierten, auch die Anwohner:innen mit weniger finanziellen Ressourcen bekamen günstige Kredite. Mittlerweile sind die durch den produzierten Strom längst abbezahlt. Wenn man es richtig macht, können gerade strukturschwache Regionen profitieren.
Die Jobwende: Arbeitsplätze mit Zukunft
Keine Frage – die Energiewende stellt einige Branchen vor große Herausforderungen. Aber: Welche Auswirkungen hat die Energiewende auf die gesamte Beschäftigungsentwicklung?
Die Zukunft der 20.000 Beschäftigten aus der Braunkohleindustrie steht oft im Mittelpunkt der Debatten. Demgegenüber stehen Jobs, die durch den Ausbau erneuerbarer Energieträger und den Umbau der Stromnetze entstehen werden.
- Schon 2018 arbeiteten elf Millionen Menschen im Bereich erneuerbare Energieträger.
- Bis 2050 könnten 42 Millionen Arbeitsplätze entstehen.
Selbst die Mobilitätswende führt nicht zu Einbußen von Arbeitsplätzen. Zwar fallen hier bis 2040 rund 220.000 Jobs weg, im selben Zeitraum entstehen allerdings 260.000 neue Arbeitsplätze in der Branche. Und auch die Gesamtbilanz sieht gut aus: Studien zeigen, dass die allgemeine Nettobeschäftigung leicht ansteigt.
Industrie folgt grüner Energie
Während unsere Wirtschaft unter hohen Energiepreisen ächzt und die Preise für fossile Energieträger starken Schwankungen unterliegen, gibt es Strom aus Sonne, Wind, Erdwärme oder Wasser immer. Jedenfalls fast immer. Um Stromflauten auszugleichen, Speicherkapazitäten auszubauen und Strom aus Windkraft zu transportieren, braucht es Investitionen.
Der Ausbau von Stromnetzen in Deutschland hat in den letzten Jahren gelitten, aber Windkraftanlagen in Norddeutschland locken schon jetzt energieintensive Industrien an.
1500 Windräder, die zusammen so viel Strom produzieren wie sieben Atomkraftwerke – allein in der Nordsee. Bis 2045 soll sich diese Leistung fast verzehnfachen.
Saubere Energie – und viel davon. Das könnte besonders energieintensive Industrien nach Norddeutschland locken. Eine Idee für das Speicherproblem gibt es in Norddeutschland auch schon: Aus Windstrom wird zuerst Wasserstoff, der dann in unterirdischen Speichern aufbewahrt werden kann.
Schneller Kohleausstieg: Die deutsche Superkraft gegen die Klimakrise
Wo möchten sie lieber wohnen: Hundert Meter neben einer Solaranlage oder neben einem Kohlekraftwerk? Und wo würden sie im Moment, in dem die Technik versagt, lieber stehen: Neben einem Windrad oder neben einem Atomkraftwerk?
Kein Energieträger ist gefährlicher als Atomkraft, keiner ist klimaschädlicher als Kohle.
Die Gesamtbilanz ist eindeutig: Je schneller die Energiewende voranschreitet, desto besser für das Klima, unser aller Gesundheit, aber insbesondere für unsere Wirtschaft.
Wenn wir als Bürger:innen jetzt bereit für die Transformation sind, dann dürfen wir zukünftig auch wieder aufatmen: Beim Blick auf die Stromrechnung und dank sauberer Luft.
Quellen und Studien
Friedrich-Ebert-Stiftung – Effekte der Energiewende auf Arbeit und Beschäftigung
Statista – Arbeitsplätze erneuerbare Energiebranche
Greenpeace – Erneuerbare Energien
Beschäftigungeffekte der Energiewende
BMWI – Studie zu Vorteilen der Energiewende
VZBV – Studie zur Energiewende
Fotos: Freepik, Dominik Butzmann