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Wie jedes Jahr, waren wir auch diesen Oktober wieder auf dem World Health Summit unterwegs. Dieses Mal war es jedoch besonders, denn der World Health Summit wurde erstmals gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) organisiert.

Beim alljährlichen Stelldichein kommt alles mit Rang und Namen aus der globalen Gesundheitspolitik nach Berlin, um über die großen Themen der globalen Gesundheit zu sprechen. Es gab Beiträge von Olaf Scholz, WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, Karl Lauterbach, UN-Generalsekretär António Guterres, UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima und unzählige mehr. An drei Tage wurde sich über die großen Herausforderungen der globalen Gesundheit ausgetauscht und wir waren Mittendrin. Wie mit dem Ziel, die gut vernetzte Community der globalen Gesundheitspolitik für die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts zu sensibilisieren – die Klimakrise. Denn neben wichtigen Themen, wie vernachlässigte Tropenkrankheiten, Pandemieprävention, Gesundheitsversorgung und vielen weiteren, bekommt die Klimakrise und der menschliche Umgang mit Mutter Erde und ihren natürlichen Systemen viel zu wenig Aufmerksamkeit. Dieses Jahr hatten wir die Gelegenheit, bei vier Veranstaltungen die elementare Bedeutung eines gesunden Planeten für die Gesundheit aller Menschen weltweit auf die große Bühne zu heben.

Nichts tun ist teuer – Pandemien verhindern ist die günstigste Option

Los ging es am Sonntag (16.10.) mit einem Workshop, den wir gemeinsam mit der Internationalen Allianz gegen Gesundheitsrisiken im Wildtierhandel organisiert haben. Thema: die Vorteile früherer Pandemieprävention durch die Reduktion von Wildtierhandel und Schutz von Wäldern und Rückzugsorten. Unser Gründer Eckart von Hirschhausen leitete die Diskussion und stellte schon zu Beginn klar, dass die Prävention von Krankheiten immer günstiger ist als ihre Bekämpfung – das gilt überall, aber vor allem bei Pandemien. Das bestätigte auch der Evolutionsbiologe Andrew Dobson mit einem eingängigen Beispiel: Der weltweite wirtschaftliche Schaden der Corona-Pandemie beläuft sich auf ca. 11,5 Billionen US-Dollar. Dem gegenüber stehen lächerliche 26,6 Milliarden US-Dollar für frühe Prävention durch Maßnahmen, wie beispielsweise der Überwachung von Wildtierhandel, Reduktion der Abholzung tropischer Regenwälder oder dem Stopp des Handels mit Wildtierfleisch. Ein grundlegenderes Problem ist jedoch der Mangel an Expert:innen, die sich mit Krankheitserregern „pre-spillover“ befassen, also bevor die Krankheit von Tieren auf Menschen überspringt. Insbesondere an mathematischen Epidemiolog:innen und Veterinärmediziner:innen fehlt es weltweit. Ein weiterer unterbeleuchteter Aspekt ist der Erhalt der Artenvielfalt und die Schaffung von Rückzugsorten. Catherine Machalaba von der EcoHealth Alliance wies diesbezüglich auf die Notwendigkeit hin, verschiedene Finanzierungsmittel im Sinne des One Health-Ansatzes für den Biodiversitätsschutz zu mobilisieren

Globalen Klima- und Gesundheitsschutz richtig kommunizieren

Die Klimakrise verschärft sich – Flutkatastrophen und Hitzewellen haben dieses Jahr abertausenden Menschen das Leben gekostet und viel Leid verursacht, gleichzeitig bedrohen anhaltende Dürreperioden und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die weltweite Ernährungssicherheit. Wie kommuniziert man bei solchen Hiobsbotschaften die Notwendigkeit politischen Handelns verständlich und aktivierend an möglichst viele Menschen? Eine große Frage, der wir uns in der Session „Healthy Planet – Healthy People“ gewidmet haben. Die Aktivistin Rosamund Adoo-Kissi-Debrah erzählte die bewegende Geschichte ihrer Tochter Ella, die im Alter von 9 Jahren an einem extremen Fall von Asthma verstarb und posthum in die Justizgeschichte einging, als erste Person, bei der „Luftverschmutzung“ als Mitursache ihres Todes anerkannt wurde. Ellas Fall verdeutlicht die immense Wirkungskraft, die durch persönliche Geschichten und Betroffenheit erreicht werden kann. Es ist entscheidend, dass aufgezeigt wird, wie reale Menschen schon heute überall auf der Welt unmittelbar unter den Ursachen und Folgen der Klimakrise leiden. Gesundheit ist dabei ein verbindendes Element über gesellschaftliche Gruppen und politische Lager hinweg. Das bestätigte auch Amiera Sawas von Climate Outreach, die in ihren Untersuchungen und Befragungen herausgefunden hat, dass gute Gesundheit in allen gesellschaftlichen Gruppen auf Platz 1 der Vorstellung einer positiven Zukunft liegt. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Johan Rockström ergänzte noch die Bedeutung von lösungsorientierter Kommunikation. In der Klimakommunikation kann es nicht damit getan sein, nur die Hiobsbotschaften zu erzählen. Es muss auch der Weg in eine bessere, gesündere Zukunft aufgezeigt werden. Denn genau das ist mit guter Klima- und Gesundheitspolitik möglich.

Somit neigte sich der Sonntag seinem Ende, aber nicht ohne einen letzten Aufreger. Kurz vor Olaf Scholz Statement bei der großen Eröffnung stürmten Aktivist:innen von „Die Letzte Generation“ und Scientist Rebellion den World Health Summit und lösten den Feueralarm aus und klebten sich an die Eingangstür, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise hinzuweisen – mit der klaren Botschaft „Klimaschutz = Gesundheitsschutz“.

Planetare Gesundheit, eine Inspiration für alle

Am Montag (17.10.) ging es erneut um Kommunikation. Was ist planetare Gesundheit und warum ist das Konzept hilfreich, um verschiedenste Menschen und Akteure zu erreichen und vor allem zum Handeln zu inspirieren? Die Verbindung der Gesundheit von Mensch, Tier und Natur anhand einleuchtender Beispiele zu verdeutlichen, macht es gerade für die breite Öffentlichkeit nachvollziehbarer und einfacher, politische Maßnahmen zu akzeptieren. Als holistisches Konzept ermöglicht planetare Gesundheit ein neues „Branding“ von politischen Einzelmaßnahmen für viele verschiedene Bereiche: Laut Maria Neira kann man somit beispielsweise das Betreiben von Kühlketten für Impfstoffe mit Solarpanels als klimaschonende, gesunde und wirtschaftliche sinnvolle Maßnahme framen. Susanne Hecker vom Museum für Naturkunde Berlin ergänzte die Bedeutung von aktiver Beteiligung in der Wissenschaft. Wenn Menschen in den wissenschaftlichen Prozess stärker einbezogen werden, dann fühlen sie auch größere Verantwortung zu handeln. Diesen Ansatz verfolgen auch die „Engage Hubs“ der Falling Walls Foundation, die Wiebke Rössig vorstellte. Das internationale Netzwerk vereint mehr als 3.300 Personen in 142 Ländern weltweit und versucht internationale wissenschaftliche Erkenntnisse in möglichst viele Regionen zu bringen. Der klare Fokus dabei ist auch die lokalen Umstände mit in den wissenschaftlichen Prozess mit einzubringen.

Den Stimmen der indigenen Gruppen auf unserer Erde wird bei alledem viel zu wenig Gehör geschenkt, dabei leben viele dieser Gemeinschaften schon seit vielen Jahrhunderten im Einklang mit den Ökosystemen, die sie umgeben. Die naturheilkundliche Ärztin und Angehörige der Deninu K’ue First Nation (Dene) in Kanada hob dabei den möglichen Erkenntnisgewinn hervor, wenn indigenes Wissen Erkenntnisprozesse in das globale Wissenschaftssystem aufgenommen wird.

Endlich! Ein globaler One Health-Aktionsplan

Am Dienstag (18.10.) unterstützten wir vier große internationale Organisationen bei der Vorstellung ihres gemeinsamen One Health-Aktionsplan (One Health Joint Plan of Action). In einer noch nie dagewesenen Kooperation widmeten sich die Welternährungsorganisation (FAO), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) mit einem umfangreichen Aktionsplan den Zusammenhängen der Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist eine zentrale Aufgabe dieses Zusammenschlusses (bekannt als „Quadripartite“), Mittel und Wege zu finden, wie zukünftige Pandemien verhindert werden können und die Weltgemeinschaft sich besser auf den Umgang mit Pandemien vorbereiten kann. In sechs Aktionsbereichen werden Maßnahmen vorgestellt, wie das Wohlergehen von Menschen, Tieren und der Umwelt auf globaler, nationaler und regionaler Ebene besser geschützt werden kann. Konkret geht es dabei um die Sicherung resilienter Gesundheitssysteme, Risikominderung durch neu oder wieder auftretende Zoonosen, bessere Bewertung und Management von Nahrungssicherheit und Eindämmung von Antibiotikaresistenzen.

Im Rahmen des World Health Summits wurde der Aktionsplan nun erstmals präsentiert und besprochen. Die Entwicklungsminsterin Svenja Schulze sowie der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir haben mit Redebeiträgen die Bedeutung von One Health für die deutsche Bundesregierung hervorgehoben. In der Podiumsdiskussion haben Vertreter:innen aller vier Quadripartite-Organisationen die Inhalte und Ansätze des Aktionsplans präsentiert.