„Gesund leben auf einer gesunden Erde“ (WBGU) und „Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken“ (SRU). Die Titel der beiden Gutachten verdeutlichen bereits, dass die beiden Untersuchungen der renommierten Expert:innengremien mit wissenschaftlichen Erkenntnissen eine unserer zentralen Botschaften stützen: „Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.“
Der neunköpfige WBGU empfiehlt „nicht weniger als ein fundamentales Umdenken im Umgang mit Gesundheit“ und kommt zu dem Schluss: „Wir haben die Untrennbarkeit menschlicher Gesundheit vom Wohlergehen von Arten und Ökosystemen nicht ernst genug genommen.“
Die SRU erinnert in ihrer Pressemitteilung daran, dass 15% der Todesfälle in Europa auf umweltbedingte Risiken zurückzuführen sind. Durch den menschengemachten Klimawandel und Biodiversitätsverlust kommen neue Belastungen hinzu.
Dass die beiden voneinander unabhängigen Sachverständigenräte gemeinsam ihre jüngsten Forschungsergebnisse vorstellen, soll als Statement verstanden werden und die Dringlichkeit des Themas für die Zukunft der menschlichen Gesundheit verdeutlichen.
Die planetaren Krisen sind menschengemacht. Das ist eine gute Nachricht! Denn es bedeutet, dass es in unserer Macht liegt noch gegenzusteuern, solange Kipppunkte nicht überschritten werden. Diese Ambivalenz zieht sich wie ein roter Faden durch beide Gutachten. Sie zeigen einerseits auf, wie dramatisch die Situation ist. Wer sich wünscht, auch in Zukunft ein gutes und gesundes Leben führen zu können, wird an einigen Stellen schlucken müssen. Andererseits zeigen die Gutachten konkrete Lösungen auf und benennen die notwendigen Maßnahmen. Wir haben es in der Hand, aber wir haben nur noch wenig Zeit!
V.l.n.r.: Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge (WBGU), Jochen Flasbarth, (Staatssekretär im BMZ), Dr. Tanja Busse (Moderation), Dr. Klaus Reinhardt (Präsident Bundesärztekammer), Prof. Dr. Wolfgang Köck (SRU)
Das Gutachten „Gesund leben auf einer gesunden Erde“ (WBGU) macht beispielsweise deutlich, dass wir durch das Einhalten planetarer Leitplanken die Gesundheit von Menschen, Arten und Ökosystemen schützen können. Damit sind neben dem Schutz des Klimas unter anderem auch die Erhaltung fruchtbarer Böden durch nachhaltige Landwirtschaft, das Respektieren von Lebensräumen für Tiere oder die Anerkennung der Endlichkeit von Ressourcen gemeint. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Staaten weltweit den Zusammenhang von Umweltschutz und Gesundheitspolitik anerkennen und entsprechend politisch handeln. Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge erläuterte, was „Globale Dringlichkeitsgovernance“ konkret bedeutet: „Es muss demokratisch erstritten werden, radikal zu handeln.“ Angesichts multipler globaler Krisen sei „Dringlichkeit“ vielleicht sogar ein zu harmloser Begriff, um die Notwendigkeit raschen Handelns zu beschreiben. Doch genau das sei der Weg, damit ein gesundes Leben auf einer gesunden Erde nicht Utopie, sondern eine realisierbare Mission ist.
Der SRU zählt in seinem Gutachten „Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken“ eine Reihe von umweltbedingten Gesundheitsgefahren auf: Feinstaub, Antibiotikaresistenzen und Hitze sind nur einige davon. Zugleich beschreibt das Gutachten den unbezahlbaren Wert intakter Ökosysteme für unsere Gesundheit, indem beispielsweise eine hohe Artenvielfalt der Entstehung und Verbreitung von Krankheiten vorbeugt. Die Autor:innen verweisen darauf, dass der Zugang zu einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt als universelles Menschenrecht anerkannt ist. Umweltpolitik muss aber mehr dafür leisten, dass dieses Recht Wirklichkeit wird und für zukünftige Generationen erhalten bleibt. Der Bericht lässt keinen Zweifel: eine intakte Natur kommt der menschlichen Gesundheit zugute. Daraus lässt sich eine einfache Formel ableiten: Gesundheitsbezogene Umweltpolitik macht uns gesünder und erhöht die Chancengleichheit. Denn teure Behandlungen können sich nur wenige leisten, eine intakte Natur dient jedoch der Gesundheit aller Menschen – über soziale und Landesgrenzen hinweg.
Der WBGU sieht umfassenden Handlungsbedarf. Die Expert:innen empfehlen beispielsweise, die Ernährungsleitlinien an die Planetary Health Diet anzupassen, um eine gesunde und nachhaltige Lebensmittelversorgung für alle Menschen zu sicherzustellen. Gleichzeitig sehen sie den Bedarf nach einer echten Mobilitätswende, die auch unsere sozialen Normen infragestellt. Die Mobilitätskonzepte, in denen eine echte Wahlfreiheit der Fortbewegungsmittel besteht und die bisher vom Auto beanspruchten Räume für die Gestaltung lebenswerter Städte und ländlicher Räume genutzt werden könnten, liegen längst auf dem Tisch. Zahlreiche Empfehlungen gibt es auch für die Bereiche Bauen und Wohnen. Zement und Beton sind besonders klimaschädliche Baustoffe. Der Einsatz alternativer nachhaltiger Baustoffe sind ein Teil der Lösung, aber auch die Wiederverwendung von Baustoffen und die Einführung einer Kreislaufwirtschaft in der Baubranche hat jede Menge Potential.
Beide Berichte zeigen die gewaltigen Herausforderungen und Probleme, vor denen wir stehen, in aller Deutlichkeit auf. Beiden ist jedoch ebenfalls gemein, dass sie eine Vielzahl konkreter Lösungsvorschläge anbieten, die politisch umgesetzt werden könnten. Wir würden sogar sagen: Sie müssen dringend umgesetzt werden! Planetare Gesundheit ist die Voraussetzung für eine gesunde und lebenswerte Zukunft. Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist: Nichts. Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor uns, für die uns weniger als ein Jahrzehnt bleibt. Halbgare politische Kompromisse in Sachen Klimaschutz sind nicht nur ärgerlich: Sie machen uns krank!
Uns muss klar sein, dass die Freiheit, weiterzumachen wie bisher, auf Kosten der Gesundheit und Freiheit vulnerabler Gruppen geht und für uns alle eine Freiheit auf Pump ist. Das Einhalten oder Ignorieren der planetaren Grenzen wird schon bald erheblichen Einfluss auf unsere Lebensqualität haben: Ob wir mit umweltbedingten Einschränkungen und Umweltrisiken leben müssen oder die Vorzüge einer intakten Natur und gesundheitsfördernden Lebensumgebung genießen können, liegt an den Entscheidungen, die wir heute treffen. Der Schutz der planetaren Gesundheit kommt unmittelbar uns selbst zugute. Wir müssen nicht die Erde retten, sondern uns. Das bringt uns auch wieder die Lust auf Zukunft zurück. Denn was wollen alle: Gesundheit! Quer durch Parteien, Altersgruppen und Hintergründe eint uns dieses Ziel mehr als abstrakte „Reduktionsziele“.