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Gastbeitrag der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen

„Resilienz“ ist ein Begriff, der einem heute deutlich häufiger begegnet als früher – beinahe ein Modewort. Das ist auch nicht überraschend. Klimawandel und Pandemiefolgen, Ukrainekrieg, Wirtschaftsabschwung, Fachkräftemangel, Bildungsmisere … – die Liste der Herausforderungen, vor denen wir stehen, nimmt kein Ende. In dieser Zeit vieler Krisen wird die Frage, was uns resilient, widerstandsfähig macht, zunehmend wichtiger.

Das Buch „Resilienz – Für ein klimafestes Gesundheitssystem“, herausgegeben von Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, beantwortet diese Frage für das deutsche Gesundheitswesen. Es betrachtet den Begriff der Resilienz aus verschiedenen Blickwinkeln und lässt eine Vielzahl von Autor:innen zu Wort kommen. Durch verschiedene Impulse macht es auf die Notwendigkeit eines Strukturwandels im Gesundheitssystem aufmerksam.

Als Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen durften wir einen Gastbeitrag zu dem Thema Resilienz im Gesundheitswesen in Zeiten des Klimawandels beisteuern. Unsere Geschäftsführerin Kerstin Blum und unser Gründer Eckart von Hirschhausen erklären dabei, warum unser Gesundheitssystem ein Schönwettersystem ist und was es braucht, um der Klimakrise resilient gegenüberzustehen.

„Schönwettersystem“ in der Klimakrise: Was Resilienz im Gesundheitswesen in Zeiten des Klimawandels bedeutet

Resilienz. Das Schlagwort ist bei uns in der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen allgegenwärtig. Es gilt doppelt. Einmal für die persönliche Widerstandskraft, die es braucht, wenn man sich tagtäglich mit der größten Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert beschäftigt, der Klimakrise, dem Artensterben und den Pandemien – drei Krisen zum Preis von zwei. Resilienz braucht auch unsere Gesundheitsversorgung, denn sie kommt heute und erst recht in absehbarer Zeit an den Rand der Belastbarkeit. Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Das Gesundheitswesen muss mit dieser Herausforderung umgehen, und befindet sich doch selbst in einem eher kritischen Zustand.

Das Gesundheitssystem als Patient und Klimaschutz als Gesundheitsschutz

Denn das Bild des „besten Gesundheitssystems der Welt“ feiern wir heute eher nicht mehr. Die Ursachen sind vielfältig und eine der wichtigsten ist eigentlich Grund zur Freude: Wir werden immer älter. Wir leben länger, sind aber im Schnitt auch länger krank – und brauchen immer mehr Behandlung. Diesen steigenden Bedarfen gegenüber steht ein Gesundheitssystem, das leidet unter Fachkräftemangel, Fehlanreizen in der Finanzierung, verschleppter Digitalisierung und ungleicher Verteilungen zwischen Stadt und Land. Anders gesagt: Unser Gesundheitssystem ist ein Schönwettersystem, es funktioniert, wenn es keine Krisen gibt. Doch die Klimakrise bringt Extremwetter und Krankheiten mit sich, wie die Folgen von Hitze und Luftverschmutzung, Allergien oder auch neuartige Infektionskrankheiten, die z. B. über Zecken und Mücken übertragen werden. Betrachtet man all diese Risiken ist klar: Der wichtigste Gesundheitsschutz ist zunächst einmal ein entschlossener, konsequenter Klimaschutz in allen Sektoren – auch im Gesundheitssektor.

Klimaanpassung für ein resilientes Gesundheitssystem

Doch nicht alle Folgen der Klimakrise werden wir abwenden können. Deshalb brauchen wir im Sinne der Resilienz auch Klimaanpassungen im Gesundheitswesen. Veröffentlichte Hitzeschutzpläne und der „Klimapakt für Gesundheit“, den das Bundesministerium für Gesundheit Ende 2022 gestartet hat, zeigen, dass wir uns zumindest auf den Weg gemacht haben. Aber auf Worte müssen auch Taten folgen, denn die Liste der Handlungsempfehlungen ist lang.

Ein resilientes Gesundheitssystem braucht Strukturreformen und Nachhaltigkeit

Gleichzeitig reicht es nicht aus, einem ohnehin ächzenden System Klimaschutz und Klimaanpassung noch obendrauf zu packen. Fakt ist, dass das Gesundheitssystem Strukturreformen braucht. Denn der Umgang mit Ressourcen im deutschen Gesundheitswesen ist in keiner Dimension nachhaltig. Mit Blick auf die ökonomische Nachhaltigkeit ist eine zukunftsfeste Finanzierung derzeit nicht gesichert. Mit Blick auf soziale Nachhaltigkeit wandern Beschäftigte aufgrund sich verschlechternder Arbeitsbedingungen in Scharen ab, wo wir eigentlich mehr Menschen bräuchten. Und ökologische Nachhaltigkeit beginnt gerade erst zu einem Thema zu werden in einem System, dass für mehr als 6 Prozent des Treibhausgasaustoßes in Deutschland verantwortlich ist und heute 80 Prozent mehr Rohstoffe verbraucht als Mitte der 1990er-Jahre, Tendenz steigend. Das Gute ist, dass uns die neuen Herausforderungen deutlich zeigen, wie das System schon lange funktionieren sollte: sinnvoll, ökonomisch, human und klimafreundlich zugleich.

Nicht nur das System muss gestärkt werden, auch seine Menschen

Das Gesundheitssystem muss also gestärkt und fit für die unsichere Zukunft gemacht werden, die vor uns liegt. Aber das System zu stärken, heißt nicht nur die Finanzierung sicher zu stellen, die Strukturen effizient, gesundheitsfördernd und klimaresilient zu machen – es heißt vor allem auch, Menschen zu stärken. Denn als personalintensiver Sektor besteht das Gesundheitswesen am Ende vor allem aus den Menschen, die die Gesundheit ihrer Mitmenschen in den Mittelpunkt ihres beruflichen Handelns gestellt haben. Um diese Menschen zu stärken, braucht es Arbeitsbedingungen, die Zeit und Raum lassen für kompetente Entscheidungen, menschlichen Einsatz, Empathie und Zusammenarbeit auf Augenhöhe, an manchen Stellen angemessenere Gehälter, sowie Unterstützung, um körperlich und seelisch gesund zu bleiben.

Engagement ist ein wahrer Resilienz-Booster! Denn neben dem Gefühl der Selbstwirksamkeit durch das Einsetzen für eine enkeltaubliche Zukunft, umgibt man sich automatisch auch mit Menschen, die das Gleiche tun.

Die Folgen der Krisen für die mentale Gesundheit beachten

Gerade auch die seelische Resilienz wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Denn die Klimakrise und ihre Folgen bringen nicht nur neue Gefahren für die körperliche Gesundheit. Auch die Seele leidet. Neue Begriffe entstehen wie „Klimaangst“ und „Solastalgie“, das Gefühl von Verlorensein und Trauer, beim Erleben, wie sich das eigene Zuhause, die angestammte Heimat durch die Klimakrise unwiederbringlich verändert. Dementsprechend muss ein resilientes Gesundheitssystem auch die psychische Gesundheit in den Fokus stellen.

Was auch resilient macht: Sich einsetzen! Für eine enkeltaugliche Zukunft

Es gibt also viel zu tun! Nicht nur, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, in dem wir endlich ernst machen mit dem Klimaschutz. Sondern auch, um unser Gesundheitssystem und uns selbst resilient zu machen, zu stärken für die unruhigen Zeiten, die auf uns zu kommen. Ein Tipp für die eigene Resilienz: Engagement ist ein wahrer Resilienz-Booster! Denn neben dem Gefühl der Selbstwirksamkeit durch das Einsetzen für eine enkeltaubliche Zukunft, umgibt man sich automatisch auch mit Menschen, die das Gleiche tun. Das motiviert, schenkt Hoffnung und stärkt die Resilienz.

In diesem Sinne: Bleiben Sie hoffnungsvoll, suchen Sie Verbündete und arbeiten Sie mit am wichtigsten Projekt dieses Jahrzehnts: Klimaschutz und Resilienz mit Macht voranzubringen – im Gesundheitswesen und darüber hinaus. Denn gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten.

Aufmacher: © Ausschnitt aus Cover des Buches „Resilienz – Für ein klimafestes Gesundheitssystem“