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Wir schaffen es gemeinsam – oder gar nicht. Der Unterschied zwischen Arm und Reich spaltet unser Land wie kein anderes Thema – und gefährdet den Klimaschutz!

von Henning Flaskamp, Sophie Kregel und Dr. Katharina Weiss-Tuider

In allen Wahlprogrammen der Ampel-Parteien zur Bundestagswahl 2021 wurde ein Mechanismus genannt, der dem Prinzip des Klimageldes einspricht. Eingeführt wurde dieses bisher jedoch nicht.

Was ist das Klimageld?

Mit Ausweitung und Anstieg der CO2-Bepreisung werden Dinge, die schlecht für das Klima sind, teurer. Das ist wichtig, um unsere Emissionen zu senken, und deshalb politisch gewollt.  Die zusätzlichen Einnahmen fließen in einen Topf. Zum Ausgleich der gestiegenen Kosten sollten alle Haushalte aus diesem Topf eigentlich eine “Klimadividende” erhalten. Kurzum: das Klimageld.

DASS KLIMASCHÄDLICHER KONSUM TEURER WIRD, IST POLITISCH GEWOLLT.
DAS KLIMAGELD WÜRDE DAS AUFFANGEN.

Dabei sollen – so die Idee – alle Bürger:innen den gleichen Betrag erhalten. Wenn klimaschädlicher Konsum teurer wird, trifft das dann vor allem diejenigen, die mit ihrem Konsumverhalten für besonders viel CO2 in der Luft sorgen. Statistisch betrachtet verursachen insbesondere Menschen, die über Vermögen oder hohes Einkommen verfügen, mehr Treibhausgasemissionen. Dementsprechend würden diese Menschen auch mehr für ihre Emissionen zahlen – für alle anderen würde das Klimageld die Verteuerungen auffangen. Das wäre nicht nur gut fürs Klima der Welt, sondern auch für die soziale Gerechtigkeit in Deutschland (WWF 2023).

Woran scheitert die Auszahlung des Klimagelds?

Es gibt zwei zentrale Probleme beim Klimageld. Das erste ist eher technischer Natur. Denn es gibt bisher keine Möglichkeit für den deutschen Staat, allen Bürger:innen Geld zu überweisen. Das Bundesfinanzministerium steht in der Pflicht, eine Lösung zu liefern. Die ist auch angekündigt, bisher aber noch nicht vorhanden. Das zweite Problem ist ein finanzielles. Die Mittel, die eigentlich für das Klimageld vorgesehen waren, wurden schon anderweitig verplant (tagesschau 2023).

ZWEI PROBLEME: DER STAAT HAT DEINE KONTODATEN NICHT – UND DAS DAFÜR BENÖTIGTE GELD WURDE SCHON AUSGEGEBEN.

Das war schon vor dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 15. November 2023 der Fall. Mit diesem Urteil wurde entschieden, dass die Regierung Haushaltsmittel, die eigentlich für den Kampf gegen COVID-19 vorgesehen waren, nicht für den Klimaschutz verwenden darf (Bundesverfassungsgericht, 2023). Der Ampel fehlen nun plötzlich 60 Milliarden Euro, was das finanzielle Problem beim Klimageld noch einmal verschärft hat. Daran ändert auch der Plan, die Schuldenbremse für 2023 auszusetzen, nicht viel.

Warum dürfen wir dennoch nicht auf das Klimageld verzichten?

Müssen wir also von dem “Projekt Klimageld” verabschieden? Das wäre fatal. Denn Studien von More in Common, einer NGO, die zu sozialem Zusammenhalt forscht, zeigen: 64 % der Menschen in Deutschland sehen die Gesellschaft zwischen Arm und Reich gespalten. Kein anderes Thema wird als größere Gefährdung des Zusammenhalts empfunden. Auf Platz zwei folgen mit 43 % „unterschiedliche Meinungen zum Klimaschutz“ (More in Common, 2023). Es ist naheliegend, dass diese beiden Befunde nicht unabhängig voneinander verstanden werden können.

DIE SPALTUNG VERLÄUFT ZWISCHEN ARM UND REICH, KRANK UND GESUND, GEGEN ODER FÜR KLIMASCHUTZ. DAS MUSS UND DARF NICHT SEIN!

Die Haltung zum Klimaschutz ist auch eine soziale Frage. Widerstand gegen notwendige Klimaschutzmaßnahmen wird häufig von Menschen formiert, die einen persönlichen wirtschaftlichen Abstieg fürchten. Wer sich von Krisen unmittelbar betroffen fühlt, ist zudem empfänglicher für Populismus und Rechtsextremismus (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2023). Das ist eine Erklärung für das Umfragehoch der AfD vor allem in ostdeutschen Bundesländern. Die gesellschaftliche Spaltung ist auch eine Gesundheitsfrage: Einkommen und Vermögen beeinflussen erwiesenermaßen Lebensqualität und Gesundheit. Soziale Ungleichheit bedeutet auch gesundheitliche Ungleichheit. (Lampert & Koch-Gromus, 2016) Kurz gesagt: Armut macht krank.

Eine gesunde Balance

Das Konzept der Planetaren Gesundheit zielt darauf ab, menschengemachte Systeme – wie Gesellschaft oder auch Wirtschaft – wieder in Einklang zu bringen mit den natürlichen Systemen der Erde – ob mit Tieren, Natur oder Klima. Denn nur, wenn die Gesundheit der natürlichen Systeme gewahrt ist, ist auch der Mensch gesund. Auch der Zustand unserer Gesellschaft ist dabei essenziell. Eine Gesellschaft, in der Vermögen und Einkommen zu ungleich verteilt sind, gefährdet ihre Handlungsfähigkeit im Umgang mit inneren und äußeren Krisen.

KLIMAKRISE MUSS MAN SICH LEISTEN KÖNNEN!

Die Klimakrise ist eine soziale Frage: Wohlhabendere Menschen verursachen mehr Klimaschäden und ärmere Menschen können sich schlechter vor den Folgen der daraus resultierenden Klimakrise schützen. Eine aktuelle Oxfam-Studie zu diesem Thema hat das erneut bestätigt: Das reichste Prozent der Welt verursacht 16 % der globalen CO2-Emissionen. Für Deutschland bedeutet das: Das reichste Prozent verursacht pro Kopf 15-mal so viel Emissionen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung (Oxfam, 2023).

Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist: Nichts!

Klimaschutz muss man sich leisten können? Das Gegenteil ist der Fall. Klimaschädliches Verhalten und Nicht-Handeln muss man sich leisten können. Extremwettereignisse, die auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen sind, haben in den Jahren 2000 bis 2019 Schäden in Höhe von mehr als 8 Millionen Dollar pro Stunde verursacht. (Newman & Noy, 2023). Wir können es uns folglich nicht leisten, auf Klimaschutz zu verzichten. Nichts wäre teurer, und die Folgen würden vor allem ärmere Menschen besonders hart treffen – und unsere Gesellschaft und ihren Wohlstand noch stärker gefährden. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen muss Priorität haben.

WENN MAN SICH SCHON AM MONATSENDE UM DIE EIGENE EXISTENZ SORGEN MUSS, IST ES SCHWIERIG, DEN SCHUTZ EINER LEBENSWERTEN ZUKUNFT ZUR PRIORITÄT ZU MACHEN.

Wir sind der Meinung, dass angesichts der zahlreichen Krisen, Bedrohungen und drastischen Preissteigerungen in allen Lebensbereichen, die Existenzgrundlage von Menschen ohne Vermögen und mit geringen Einkommen gesichert sein muss. Dafür braucht es das Klimageld. Die negativen Auswirkungen von Krieg und Klimakrise auf unsere mentale Gesundheit dürfen durch bedrückende Existenzängste weiter Teile der Gesellschaft nicht noch verschärft werden. Sonst gefährden wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt und antidemokratische Kräfte erhalten noch mehr Zulauf. Die Ampel ist als Zukunftskoalition angetreten. Wir brauchen Lust auf Zukunft! Die gibt es aber nur, wenn Menschen keine Angst vor dem Ende des Monats haben müssen.